Liposomen – von der Natur abgeschaute Medikamentenverpackungen

Der menschliche Körper ist ein Wunderwerk der Informationstechnologie: Pausenlos werden Instruktionen innerhalb von Zellen und zwischen Zellen ausgetauscht. Damit die einzelnen Signale nicht in einem generellen Rauschen verloren gehen, beruht das Leben auf zwei wichtigen Grundsätzen: Unser Körper ist in kleinere, geschützte Einheiten unterteilt und der Austausch von Informationen zwischen diesen Einheiten ist streng geregelt.

Die Untereinheiten unseres Körpers kennen wir gemeinhin als Zellen und Organe. Sie alle zusammen bilden ein Ganzes, doch jede Einheit ist in sich selbst abgeschlossen. Dabei spielt die Zellmembran eine zentrale Rolle.

Die Zellmembran ist eine Schicht aus speziellen Fett-, Zucker- und Eiweiss-Molekülen. Ein wichtiges Ziel der Zellmembran besteht darin, das Innere der Zelle klar von seiner äusseren Umgebung abzugrenzen und einen geordneten Austausch von Molekülen durch die Zellmembran zu ermöglichen.

Oft werden im menschlichen Körper Informationen in Form von hochsensiblen Molekülen ausgetauscht. Diese Moleküle müssen speziell geschützt werden, damit sie nicht im chemisch-reaktiven Umfeld der menschlichen Blutbahn zerstört werden. Der Schutz findet statt, indem die Informationsmoleküle in einen speziellen Behälter verpackt werden: in Liposomen.

Liposomen sind nanometergrosse «Fettkügelchen», die im Wasser schwimmen und selbst im Inneren auch mit Wasser gefüllt sind. Ähnlich wie beispielsweise ein Wasserballon, der im Wasser schwimmt, einfach unglaublich viel kleiner. Liposomen sind auch nicht so zerbrechlich wie Wasserballone und können, einmal gebildet, über Jahre stabil bleiben. 

Liposomen können auch ganz einfach ausserhalb des Körpers herstellt werden, in dem fettartige Moleküle (sog. Phospholipide) mit Wasser gemischt werden. Da sich Fett und Wasser abstossen, finden die fettartigen Moleküle zu einer Kugel zusammen, einem Liposom. Genau wie bei natürlichen Liposomen besteht auch bei künstlichen Liposomen das Innere der Kugel aus Wasser. 

In die Liposomen können auch andere Moleküle, wie beispielsweise Medikamentenwirkstoffe, verpackt werden. Dies hat den grossen Vorteil, dass die Medikamente nicht mehr direkt in einem Infusionsbeutel gelöst sind, sondern geschützt in einem Liposom vorliegen. Wenn die Liposomen in die Blutbahn eines Patienten oder einer Patientin gespritzt werden, fungieren die Liposomen als Briefumschläge: Adressiert an einen speziellen Ort im Körper werden die Liposomen durch die Blutbahn transportiert und zum Beispiel in einem Tumor deponiert. Dort öffnen sich die Liposomen und das Medikament, in diesem Beispiel ein Krebsmedikament, wird freigesetzt. So kann erreicht werden, dass toxische Wirkstoffe nicht frei in der Blutbahn zirkulieren, sondern immer geschützt in Liposomen zu ihrem Zielort gelangen. Dadurch zeigen liposomale Krebsmedikamente viel weniger Nebenwirkungen als Standardmedikamente, die Verteilung des Wirkstoffs im Körper (sog. Biodistribution) massiv vom Liposomen-System beeinflusst. Haarausfall gehört beispielsweise zu den häufigen Nebenwirkungen von Chemotherapien und tritt bei liposomalen Therapien kaum auf.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Liposomen Verpackungen sind, die der Natur abgeschaut wurden. Sie ermöglichen es, Medikamente effizient und zielgerichtet im menschlichen Körper zu transportieren und freizusetzen.

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